Montag, 6. November 2017

Der Fall Jens Söring: Absolute Pardon?

Letztmalig berichtete ich über Sheriff Harding und seinen Versuch Einfluss auf den Lauf der Dinge zu nehmen. Seitdem ist nicht mehr viel passiert, auch wenn die medialen Aktivitäten von Jens Söring und seinen Unterstützern anderes vermuten lassen. Trotzdem möchte ich einen kleinen Blog einstellen, da die Entscheidung über das Gnadengesuch (absolute pardon) von Jens Söring möglicherweise kurz bevor steht.
In der Zwischenzeit hat es drei Pressekonferenzen zum Fall Jens Söring gegeben:

- Am 3. Mai gab Sheriff "Chip" Harding eine Pressekonferenz, auf der er im Wesentlichen seine bereits in dem von ihm veröffentlichten Brief gewonnenen Erkenntnisse kundgab.
- Am 27. September hielt Sheriff "Chip" Harding eine zweite Pressekonferenz ab. In dieser wurden zwei DNA- Experten der Öffentlichkeit vorgestellt: Prof. J. Thomas McClintock und Dr. Moses Schanfield. Beide wurden von Jens beauftragt.
- Am 27. Oktober veranstaltete Gail Starling Marshall, eine langjährige Mitstreiterin von Jens, eine dritte Pressekonferenz. Auf dieser wurde bekannt gegeben, dass auch Frau Kelly Tate University of Richmond, Leiterin des Institute for Actual Innocence, den Antrag von Jens auf absolut pardon unterstützt.

Letztlich geht es also wieder einmal um die DNA- Spuren vom Tatort.

Rückblick: Im Juli 2016 wurde auf Grund eines Kreuzvergleiches zwischen dem ursprünglichen Bericht vom Tatort aus dem Jahr 1985 und der dazugehörigen DNA- Analyse aus dem Jahr 2009, von Jens die Behauptung aufgestellt, dass er beweisen könne, dass statt seiner, zwei andere Männer am Tatort waren.

Diese Aussage ist auch der Hintergrund für die neuerliche Untersuchung, durch die oben erwähnten DNA- Experten. In der Zwischenzeit wurden nämlich aus dem Umfeld des Bewährungsausschusses Zweifel laut, ob es sich nicht um vermischte Blutsuren handeln könnte und die Erkenntnisse somit wertlos sind. Grund für diese Annahme ist der Bericht von 1985, der von Mary Jane Burton (Virginia Department of Forensic Sciences, "DFS") erstellt wurde. Demnach waren einige Blutspuren verunreinigt.
Auf diese Zweifel hin wurden also die beiden DNA- Experten von Jens angeheuert. Sie sollen beweisen, dass es sich nicht um vermischte Spuren handelt. Dabei geht es primär um die Spuren 2FE, 6FE, 23K und 7FE.
Sehen wir uns den Bericht von Herrn McClintock etwas genauer an. Seinen Fokus legt er auf die Spuren 6FE, 23K und 7FE. Demnach weisen die drei Blutspuren zwei verschiedene Blutgruppen auf:


SpurBlutgruppeGeschlecht
23KABmännlich
6FE0männlich
7FEABmännlich


Die Ergebnisse verwundern schon deshalb, weil McClintock davon ausgeht, dass die Spuren von einer Person stammen (Quelle: Bericht von J. Thomas McClintock, DNA Diagnostics, 2017, Deutsche Übersetzung):

„Die partiellen DNA Profile, welche für die Objekte 6FE, 7FE#1 und 23K#1 erstellt wurden, unterstützen darüber hinaus die Schlussfolgerung, dass diese Proben von einem einzigen Träger oder einer einzigen Quelle stammen und keine Vermischungen sind.“
Wie ist es also möglich, dass drei Blutspuren (die mutmaßlich von derselben Person stammen), zwei Blutgruppen aufweisen? Stützt diese Erkenntnis nicht vielmehr die Theorie, dass die Blutproben vermischt wurden?
McClintock geht zwar davon aus, dass das Blut nicht untereinander vermischt wurde, aber eine Verunreinigung kann auch andere Ursachen haben. So ging Frau Betty Layne DesPortes von der American Academy of Forensic Sciences von Anfang an davon aus, das möglicherweise das besagte DNA-Profil nicht vom Blut selber stammt, sondern von einer anderen Quelle, wie beispielsweise Hautzellen.

Übrigens kommt auch der DFS- Bericht aus dem Jahr 2009 zu der Schlussfolgerung, dass die beiden hier thematisierten Spuren 2FE und 6FE von einer männlichen Quelle stammen („originated from a common male contributer“).

Dr. Moses Schanfield hat dieselben vier Spuren (2FE, 6FE, 23K und 7FE) untersucht und kommt zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Demnach besteht die Möglichkeit, dass es sich um nicht nur ein DNA- Profil handelt. Das Blut kann also von mehr als einer Person stammen. Grundlage für seine Überlegung ist die für eine solche Schlussfolgerung zu geringe Anzahl von Vergleichspunkten („alleles“).

Offenkundig sind sich die Gutachter nicht einig.

Meine Kenntnisse sind im Bereich der DNA Analyse ehrlich gesagt gar nicht vorhanden, daher kann ich nicht beurteilen, welcher der Experten nun Recht hat. Somit bleiben meiner Meinung nach berechtigte Zweifel an der These, dass Jens nachweisen kann, dass ein (oder zwei) andere Männer am Tatort waren.

Zusätzlich hatte Jens am 10. Oktober sein jährliches parol Interview. Hierbei wurde er von Peter Wittig (Generalkonsul) und Christian Wulff (Bundespräsident a.D.) unterstützt. Allerdings darf man sich das nicht so vorstellen, dass Jens und seine prominenten Unterstützer gemeinschaftlich den Mitarbeiter des Bewährungsausschusses bearbeitet haben. Jens wird alleine interviewt. Zeitlich und räumlich getrennt davon, können Unterstützer und sonstige Betreffende ihre Meinung zu dem Fall kundtun (beispielsweise die Angehörigen der Opfer). Diese Einschätzungen und Stellungnahmen, fließen dann in das Gesamturteil des Bewährungsausschusses ein.
Ob die prominente Unterstützung hilfreich oder kontraproduktiv ist, kann ich nicht einschätzen. Einerseits wird über Peter Wittig natürlich ein gewisser politischer Druck aufgebaut. Andererseits darf ein Bewährungsauschuss natürlich nur auf der Grundlage von Sachargumenten entscheiden und verbittet sich möglicherweise jedwede Einmischung von außen.


Ausblick:
Am 07.11.2017 wird in Virginia ein neuer Gouverneur gewählt. Bis dahin wird sich im Fall definitiv nichts bewegen. Die Amtsübergabe findet im Januar 2018 statt. Zwischen diesen Ereignissen wird es wohl zu einer Entscheidung kommen. Letztlich muss man sehen, ob die handelnden Personen der Theorie folgen, dass die Blutspuren nicht vermischt wurden. Sollte es begründete Zweifel daran geben, dass die Blutspuren doch verunreinigt wurden, kann es nicht zur Entlassung von Jens Söring kommen. Und selbst wenn es stimmt, was die Gutachter von Jens aussagen, kann nur nachgewiesen werden, dass das Blut mind. eines anderen Mannes am Tatort gefunden wurde. Ob und inwieweit das überhaupt juristisch relevant ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass bei einer Entscheidung über das Gesuch von Jens auf Begnadigung (absolute pardon) selbstverständlich alle Indizien und Beweise nochmals untersucht bzw. berücksichtigt werden. Die DNA- Thematik stellt nur einen kleinen Ausschnitt der Gesamtbeweislage dar.